Als Waldems-Esch vor 25 Jahren doch noch eine katholische Kirche bekam...
Wer sich von Richard Hess durch die Escher Kirche Sankt Thomas führen lässt, der merkt bald: der Mann kennt hier jede Bodenplatte – und noch eine Geschichte dazu. Draußen braust der Verkehr vorbei, denn gleich vor dem Kirchplatz treffen sich im Knotenpunkt B275 und B8.
Bis nach dem Krieg die Heimatvertriebenen kamen, lebten die Escher Katholiken in der Diaspora. Anfangs brachte ein Bus die Gläubigen sonntags zum katholischen Gottesdienst nach Idstein, später durfte die kleine Escher Gemeinde gegen ein Entgelt die evangelische Kirche für ihre Messen nutzen. Doch der Wunsch nach einer eigenen Kirche, der war immer da.
Richard Hess kam vor 50 Jahren aus Würges bei Bad Camberg nach Esch, der Liebe wegen. Von Anfang an war er in der damals noch kleinen katholischen Gemeinde aktiv. Er weiß noch gut, wie man sich in der evangelischen Kirche zum Gottesdienst traf, wie er dort einmal im alten Bräter seiner Schwiegermutter mangels eines anderen Gefäßes das Osterfeuer entzündete; wie die Gemeinde 1988 schließlich ein Grundstück im Ortskern erwarb. Dort stand ein alter Dreiseithof, der dem Kirchbau weichen sollte. Eine eigene Kirche – das klang nach so vielen Jahren der Improvisation fast zu schön, um wahr zu sein. Und so hatte man bald schon den heiligen Thomas zum Patron ausgewählt, den Zweifler. Denn es war doch auch eine Leistung: In Zeiten, in denen andere Bistümer bald über die Schließung ihrer Kirchen nachdenken sollten, baute man im kleinen Esch nun wirklich eine ganz neu. Eine Reliquie des Heiligen, nämlich ein Mantelstück, das man seiner Garderobe zuschreibt, ist nun im Altar eingelassen.
Kirche und Pfarrzentrum in einem
Die vielen kleinen Schritte bis zum fertigen Bau verfolgte Hess, dessen Ehefrau damals im PGR aktiv war, ganz nah mit. Spannend war es für die gesamte Gemeinde, wie der junge Architekt Ulrich Hahn aus Aachen, für den es der erste Kirchbau war, seine Sache machen würde. Wer heute auf das Gebäude zugeht, der denkt zuerst vielleicht an ein großes Versammlungshaus inmitten des Ortes, erst auf den zweiten Blick sind die Kirchglocke und die beiden kleinen Kreuze auf dem gläsernen Teil des Giebels zu entdecken. Sankt Thomas ist „zwei in einem“: im Erdgeschoss hat der Architekt ein Gemeindezentrum geschaffen, genau an die Bedürfnisse der Escher Katholiken angepasst. Es gibt ein Foyer mit Küche, Versammlungszimmer, einen Kinderspielraum und ein kleines Büro, in dem Pfarrsekretärin Wibke Rücker montags für zwei Stunden anzutreffen ist. Oben im ersten Stock ist der eigentliche Kirchraum zu finden. Schlicht und doch heimelig, nicht zu groß und nicht zu klein. Um das Altarkreuz an der Wand sind Ikonen eines Escher Künstlers angeordnet, an der Seite steht die kleine Orgel. Die kam ursprünglich aus Island, wo sie eine Gemeinde aus Schleswig Holstein erworben hatte. Doch für deren Bedürfnisse war sie zu klein, sodass die Escher Katholiken sie 1995 erwerben konnten. Richard Hess erinnert sich noch gut an die Einweihung, sein Sohn hat als Organist viele Jahre die Orgel gespielt. Immer im Herzen tragen wird Hess aber die Erinnerung an die Kirchweihe 1992: „Die haben wir damals mit Bischof Kamphaus gefeiert, das war einfach unvergesslich.“
Dass man den Tabernakel durch Rollen, die darunter befestigt sind, verschieben kann, ist übrigens seine Idee gewesen. „Wenn die große Krippe im Advent aufgebaut wird, wäre es sonst zu eng vorne“, erklärt er. Der Kirchraum ist nicht nur für Gottesdienste gedacht: Mit Schiebewänden lässt er sich aufteilen, sodass eine kleinere Kapelle und ein großer Raum entstehen. Letzterer wird für Feste der Gemeinde genutzt und kann auch gemietet werden. „Meine Frau und ich haben hier zum Beispiel unsere goldene Hochzeit gefeiert im vergangenen Jahr“, sagt Hess lächelnd. Der Raum werde auch für Hochzeiten, die Pfarrfastnacht, Erstkommunionfeiern und runde Geburtstage genutzt. Und einmal jährlich für die Walldürn-Pilger, die in Esch haltmachen. 120 Menschen passen in den Saal.
Zu einem Gottesdienst im Kirchraum kommen sonntags 40 bis 50 Gläubige. Was Richard Hess besonders freut: „Da sind auch viele aus den anderen Kirchorten dabei.“ Ein wenig, so Hess schmunzelnd, erkläre das aber auch die frühe Uhrzeit um neun. „Der Gottesdienst endet dann um 10 und alle haben noch Zeit zum Kochen.“
Dieser Text erschien am 25. Juni 2017 in der Sonderbeilage "Pfarrei im Porträt" zur Pfarrei Idsteiner Land in der Limburger Kirchenzeitung "Der Sonntag". Mehr Texte aus dieser Ausgabe sowie alle weiteren Pfarreienporträts lesen Sie unter www.kirchenzeitung.de