Solwodi-Weltkongress fordert Verbot nach dem Muster des„nordischen Modells“
MAINZ. Die Frau, die am Ende ihres Vortrags stehende Ovationen ernten wird, hätte vielleicht nie geglaubt, jemals so vor anderen Menschen zu sprechen. Nicht in ihrem früheren Leben. Es ist Sandra Norak von der Menschenrechtsorganisation „Sisters e.V. - für den Ausstieg aus der Prostitution“. Sechs Jahre war sie selbst Prostituierte, nachdem ein Mann, der vorgab, sie zu lieben, sie gezwungen hatte in einem Flatrate-Bordell zu arbeiten. Noraks Schicksal ist das von hunderttausenden Frauen in Deutschland, für die sich jene Organisationen einsetzen, die zum dritten Weltkongress gegen sexuelle Ausbeutung von Frauen und Mädchen nach Mainz eingeladen hatten. 350 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus 20 Ländern sind der Einladung gefolgt, um miteinander Lösungsansätze gegen Prostitution und Menschenhandel zu erarbeiten.
„Für viele, oft osteuropäische Mädchen und Frauen ist Deutschland das Land, in das sie voller Hoffnung und Träume kommen. Und in dem sie dann sterben. Seelisch, oder durch Gewalt, Alkohol und Drogen, um das alles ertragen zu können“, sagt Norak. „Unter anderem dieses Bild verbirgt sich hinter Deutschlands liberaler Gesetzgebung zur Prostitution.“ Die deutsche Gesetzgebung, die Prostitution legalisiert, sei einer der „Pushfaktoren“ der Prostitution und damit des Menschenhandels. Das Milieu werde in Deutschland überwiegend als „Job wie jeder andere“ angesehen, es werde nicht als kriminell eingestuft. „Hätte der Staat mir damals suggeriert, dass Prostitution gefährlich und eine Verletzung der Menschenwürde ist, dann hätte dieser Menschenhändler es schwerer gehabt, mich in die Prostitution zu bringen, weil ich gewarnt gewesen wäre.“ Die Tatsache, dass die prostituierten Frauen angeblich freiwillig handelten, ändere nichts daran, „dass sie zum Objekt degradiert werden und einer permanenten Demütigung und Entmenschlichung“ ausgesetzt seien. Dies sei ein Grund, warum viele Menschen in der Prostitution blieben: „Man hat sie dort oder schon durch Gewalt gebrochen. Man hat ihnen ihre Würde, ihr Menschsein genommen.“
Die Dachorganisation CAP (Coalition Abolition Prostitution) richtet das Treffen gemeinsam mit Solwodi (Solidarity with Women in Distress) und dem Verein des Mainzer Mediziners Gerhard Trabert, „Armut und Gesundheit e.V.“, aus. Gekommen sind auch viele Frauen, die wie Sandra Norak selbst in der Prostitution waren. Am ersten Kongresstag trafen sie sich zu einer Kundgebung in der Mainzer Innenstadt.
Zur Eröffnung in der Universität ist am Mittwoch auch der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf gekommen: „Ich bin stolz, dass dieses Treffen in Mainz stattfindet. Jeder Mensch ist unendlich wertvoll und nichts, was verkauft werden darf. Darum wünsche ich dem Kongress eine große Öffentlichkeit“, sagte er in seiner Ansprache.
Frauen werde suggeriert, dass sie in der Prostitution sexuell selbstbestimmt seien und viel verdienen könnten, kritisierte Publizistin Alice Schwarzer in ihrem Vortrag. Das habe in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass die Prostitution ein feministisch-selbstbestimmtes Image erhielt. Tatsächlich lebten viele Prostituierte jedoch in „totalem Elend“. Bei der Prostitution gehe es nicht um Sex, „sondern um Macht, die Männer sich erkaufen. Wir alle gucken weg, wir wollen es nicht wahrhaben.“
Die Erfurter Professorin für christliche Sozialethik, Elke Mack, forderte wie weitere Redner das Verbot der Prostitution: Da die aktuellen deutschen Gesetze zur Prostitution nicht wirkten, „muss der Personenschutz Vorrang haben vor der sexuellen Freiheit“ der Freier. Sie rief Politiker dazu auf, das System der Prostitution zu entlarven, „auch in den eigenen Parteien und Ministerien. Wir sollten über eine Verfassungsklage nachdenken.“
Dieser Bericht erschien am 6. April bei der Katholischen Nachrichtenagentur und wurde unter anderem von der Nürnberger Zeitung abgedruckt.